Transworld Box

Willst Du wirklich den Geschlechtswechsel?

Eine sehr persönliche Meinung zu der "Operation"

Auch in anderen Ländern gibt es Menschen, die wegen abweichender Geschlechtsidentittät nach Lösungen für sich suchen. Eine Stimme dazu ist die von Martine Rose, die sich auf langjährige Erfahrungen und viele Beobachtungen in England bezieht. Seit 1979 hat sie in Sheffield einen Club und gibt auch vierteljährlich eine Zeitschrift heraus ("Repartee") für TV, TS und "alle, die weibliche Kleidung lieben". In einem Vorwort erklärt sie, daß die folgenden Überlegungen nicht so sehr für Transsexuelle gedacht sind, die ihren eigenen Weg schon gefunden haben, sondern eher für diejenigen, die noch relativ wenig über Transsexualismus wissen und doch den dringenden Wunsch nach einem Geschlechtswechsel verspüren.

"Unser Club erhält immer wieder Briefe und telefonische Anfragen von Männern, die sehr verzweifelt sind und fragen, wie sie zu Frauen werden können, wo sie z. B. Hormone erhalten können. Einige der Fragenden haben offensichtlich wenig Ahnung davon, was das alles bedeutet und manche kaum Erfahrung beim Tragen von Frauenkleidern. Die Briefe zeigen eindeutig, daß viele darüber unsicher sind, wofür sie sich entscheiden sollen oder über Entscheidungen unglücklich sind, die sie bisher getroffen haben.

Für manche ist offenbar auch die Trennlinie zwischen einem TV (Transvestit) und einem TS (Transsexueller) recht undeutlich.

Im Laufe der Jahre habe ich auch gut Informierte getroffen, die sich als TS verstanden, bei denen ich aber den Eindruck hatte, sie wären am Ende glücklicher, hätten sie sich als TV verstehen können. Viel Unwisssenheit besteht darüber, was unter Transsexualität eigentlich zu verstehen sei. Ehe ich weiter frage, möchte ich meine Definition der beiden Kernbegriffe vorstellen.

Definition

Transsexuelle sind Personen, welche stark überzeugt sind, eigentlich zum anderen Geschlecht zu gehören. Sie empfinden, als ob sie in den falschen Körper hineingeboren wurden. Darum möchten sie ihren Körper verändern lassen, um ihn so weit als möglich dem anderen Geschlecht anzupassen - sich also operieren zu lassen.

Transvestiten sind dagegen nur daran interessiert, die Kleidung des anderen Geschlechtes zu tragen. Sie wollen nicht unbedingt dem anderen Geschlecht zugehören, begnügen sich also mit ihrer biologischen Situation. Sie kleiden sich zum Vergnügen oder weil dies ihnen sexuelle Befriedigung bereitet.

Ich habe noch eine weitere, sicher etwas ungenaue Definition entwickelt. Sie besagt: Ein TV schafft sich mit Kleidern die Illusion seiner Weiblichkeit - weiß aber, daß es eine Illusion ist. Ein TS jedoch will die Illusion seiner Weiblichkeit zur Realität werden lassen.

Eine Frau - gefangen im männlichen Körper?

Wie kann eigentlich jemand genau wissen, wie ein Mensch des anderen Geschlechtes sich fühlt? Ich glaube eher, daß alle Menschen eine Mischung von weiblichen und männlichen Gefühlen und auch Eigenschaften sind. Allerdings sind wir von kindauf so erzogen worden, die Eigenschaften zu entwickeln, die man in unserer gesellschaftlichen Umwelt als typisch weiblich - männlich versteht. Sich dementsprechend angepaßt zu verhalten mag uns auch durch indirekten Druck beigebracht worden sein. Dieser kann von Eltern und Lehrern kommen oder auch durch Medien und die Mitmenschen vermittelt werden. Wer nun Eigenschaften bei sich entdeckt, die eigentlich dem anderen Geschlecht zugeschrieben werden, spürt Unzufriedenheit, weil von ihm ja Anpassung verlangt wird, die sie nicht als eigentliche Natur empfinden. Daraus entwickelt sich für manche die Überzeugung, eigentlich dem anderen Geschlecht zuzugehören, denn diesem werden ja Eigenschaften zugeordnet, die man in sich selbst erlebt.

Geschlechtswechsel

Wenn Männer so fühlen, wie es beschrieben wurde und nun von anderen erfahren - die sich als Frauen beschreiben, welche in einem männlichen Körper gefangen sind - dann kommt es leichter zu Wünschen, sich mit diesen Vorstellungen zu identifizieren. Scheinen Sie doch den eigenen Erfahrungen zu entsprechen. Wenn man vielleicht dazu noch von Berichten über Operationen liest, welche das Geschlecht verändern, scheint dies der einzige Weg zu sein, um Antwort zu finden für die eigenen Probleme.

Tatsächlich aber sind die meisten Männer in dieser Phase ihres Suchens ziemlich unwissend darüber, was es eigentlich bedeutet, ein Transsexueller zu sein. Sie haben einfach den Eindruck gewonnen: wenn sie nur diese Operation erfahren könnten, von der sie soviel gelesen haben, dann werden sich alle ihre Wünsche erfüllen und sie zu einer wunderschönen Frau werden.

Was bedeutet "die Operation" wirklich?

Eine Operation, bei der tatsächlich das bisherige Geschlecht völlig ausgetauscht wird, gibt es in Wirklichkeit nicht. Worüber die Presse berichtet, ist eigentlich eine Geschlechts - Veränderungs - Operation. Dadurch wird der Körper so verändert, daß er dem anderen Geschlecht möglichst ähnlich wird. Mit der Hilfe von Hormonen und moderner Chirurgie ist es tatsächlich möglich, einer biologischen Frau sehr ähnlich zu werden. Dennoch: man kann nicht völlig zu einer Frau umoperiert werden.

Nun wird von vielen TS gesagt, da sie sich bisher schon wie eine Frau fühlen, gelingt es durch Hormone und Operation ihren Körper zu der Person zu machen, die sie bisher in ihrer Gefühlswelt bereits waren. Die Tatsache, das sie natürlich nicht schwanger werden können und auch die monatlichen Regeln der Frau nicht erleben sei zwar bedauerlich, störe sie aber nicht in der Überzeugung, sich nach der Operation als richtige Frau zu erfahren.

Hilfe durch TS-Gruppen und Berater

In England schließen sich früher oder später die meisten TS einer Selbsthilfegruppe an. Man sollte erwarten, daß diese nun in der Lage sei, zu beraten, ob die Betroffenen auf ihren Weg weiter gehen sollen. Und die Gruppe sollte helfen, einen freundlich gesinnten Arzt oder Psychologen zu finden.

Nach meinen Erfahrungen ermuntern jedoch in den meisten Fällen die Selbsthilfegruppen ihre neuen Mitglieder dazu, die gleiche Entscheidung zu treffen, welche die anderen in der Gruppe bereits getroffen haben. Auch Ärzte sind über diese Fragen nur selten ausreichend informiert, sie verweisen die Interessierten an einen Psychotherapeuten. Doch selten geschieht es, daß man an einen der wenigen Spezialisten gerät. Und so kommt es immer wieder vor, daß der Beratende eigentlich von seinem Patienten lernt. Hinzu kommt, das in manchen Fällen Psychologen sich demgegenüber sympathisch zeigen, wonach der Patient dringend verlangt. Dies trifft besonders dann zu, wenn ein verzweifelter Mensch vielleicht sogar mit Selbstmord droht.

Hormone

Wird dann ein Arzt zur Beratung aufgesucht verschreibt dieser vielleicht Hormone. Doch oftmals sind die Ergebnisse solcher Behandlung recht enttäuschend. Sie können nämlich nicht einen durchschnittlichen Mann in den besten Jahren in eine hinreissende, kurvenreiche Schönheit verwandeln. Besonders bei älteren Männern haben Hormone für die Körpergestalt nur sehr geringe Wirkung. Manchmal fördern sie die Bildung von Brüsten, aber viele TS sind damit unzufrieden und verlangen nach einer Brustimplantation. Es stimmt: Hormone können den Körperhaarwuchs reduzieren, aber nicht den Bartwuchs beenden. Dafür ist dann eine Elektrolyse oder Depilation nötig. Weibliche Hormone verändern auch nicht die männliche Stimme - allerdings lassen männliche Hormone eine weibliche Stimme tiefer klingen.

Die Kosten

Selbst wenn die Kosten durch eine Krankenkasse übernommen werden, sind nach der Operation oft noch Eingriffe nötig, die dann selbst zu bezahlen sind. Dazu gehört etwa die Brustimplantation, die Bartentfernung und vielleicht ist auch eine Stimmtherapie nötig.

Daneben entstehen andere Kosten, die kaum abschätzbar sind. Vielleicht wenden sich einige oder sogar alle der früheren Freunde von dem TS ab. Dies kann auch mit der eigenen Familie geschehen, der Ehefrau oder den Kindern. Verheiratete erleben oft, daß Ihre Frau aus Liebe heraus, sie anfänglich begleitet. Aber es wäre schon eine äußerst ungewöhnliche Frau, die nach der Operation mit der "neuen" Frau zusammenleben wollte. Gesetzlich ist es sowieso nicht möglich, daß etwa zwei Frauen offiziell miteinander verheiratet sind.

Ist die Operation das alles wert? Sicher ist einer der Hauptwünsche für viele Transsexuelle, sexuelle Erfahrungen wie eine Frau zu erleben. Doch um dies zu erreichen: lohnt es sich wirklich, all die Schmerzen und menschlichen Probleme auf sich zu nehmen, welche so oft der Operation folgen? Die hohen finanziellen Kosten und den seelischen Schmerz zu ertragen, wenn viele, liebe Menschen einen verlassen und ein völlig neues Leben begonnen werden muß? Sind am Ende dieses langen Weges Transsexuelle wirklich zu glücklichen Menschen geworden?

Manche sind es sicherlich nicht. Öffentlich werden sie dies aber kaum zugeben, denn nachdem sie soviel auf sich genommen haben, würde ein solches Eingeständnis ja bedeuten, das sie falsch entschieden hätten. Darum werden sie eher tapfer weitermachen - einen Rückweg gibt es ja nicht.

Viele TS stellen sich vor, daß die meisten ihrer Probleme damit zusammenhängen, das sie eine Frau im falschen Körper sind. Sie hoffen, wenn dieser "Fehler" korrigiert wird, kommt auch alles in Ordnung. Leider verschwinden aber in der Realiät viele Probleme nicht. Es kommen sogar neue hinzu. Natürlich werden diese als zusätzliche Belastung erlebt und es wird noch schwieriger, die nun anstehenden Probleme zu bewältigen.

Andere TS sahen früher gut aus, waren immer attraktiv angezogen. Aber nach der Operation scheinen sie ihr Interese an einem modischem Äußerem verloren zu haben. Vielleicht sind sie darüber enttäuscht, daß sie nicht zu der wunderbaren Schönheit geworden sind, von der sie vorher träumten. Oder sie sind auch deswegen enttäuscht, weil sie nun entdecken, wie langweilig auch der Alltag einer Frau aussehen kann. Natürlich gibt es einige TS - besonders wenn sie in jungen Jahren operiert wurden - die nach der Operation ungewöhnlich attraktiv aussehen und die man nur als richtige Frauen erlebt. Aber das kann ich auch von einigen TV's sagen, die ich persönlich kenne. Auch solche können sehr attraktiv und wie geborene Frauen aussehen.

Könnten die meisten "TS" auch "TV" bleiben?

Ich bin fest davon überzeugt, daß ein großer Teil der Männer, die wünschen als Frau zu leben, letztlich glücklicher sein würden, täten sie dies als TV's. Warum sollte man nicht Freude daran haben, sich immer dann als Frau anziehen zu können, wenn man sich dies wünscht? Oder vielleicht auch für längere Zeit als Frau zu leben, ohne sich einem Traum zu unterwerfen, von dem man weiß, man kann ihn nie realisieren. Ist es denn wirklich nötig, sich einen kleinen Klumpen Fleisch zwischen den Beinen entfernen zu lassen, um seine Phantasie völlig ausleben zu können? Was könnte den ein TS erleben, was sie nicht als TV erleben könnte? Aber als ein TV würden sie nicht alle Brücken hinter sich abbrechen. Sie könnten immer noch einen Rückweg antreten, falls die Realität des Frauenlebens im Alltag nicht ihren Phantasien entspricht. Als TV können sie wählen, aber als TS haben sie nach der Operation keine Wahl mehr. Vielleicht wird ihre Begeisterung dafür verschwinden, wenn sie nun jeden Tag als Frau leben müssen. Was bisher Spaß war wird nun zur Routine!

Daher möchte ich jeden potentiellen TS dazu ermuntern, überaus sorgfältig und in langsamen Schritten alle Argumente für und gegen die Operation zu überdenken. Ich bin froh, das ich es getan habe. Mir macht es ungeheuren Spaß, TV zu sein."

Martine Rose

(übersetzt von Rita)


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Vielen Dank Claudia